Tinnitus

Tinnitus aurium ist der lateinische Name für Ohrgeräusche, beschreibt also zunächst nur ein Symptom. Oft kann sogar keine hinter dem Symptom stehende organische Erkrankung gefunden werden. Andererseits hat man auch erst in den letzten Jahren damit begonnen, die Zusammenhänge zwischen z.B. Tinnitus und Stress, Tinnitus und Bluthochdruck, Tinnitus und chronischer Lärmeinwirkung, Tinnitus und funktionellen Störungen im Halswirbel- und Kiefergelenksbereich intensiver zu untersuchen. Im Zuge der Forderungen nach einer geprüften und dokumentierten Wirksamkeit einer Behandlung, der sog. Evidenz, stehen heute auch die vielfältigen Therapieansätze bei Tinnitus auf dem Prüfstand. Zwar wurden quälende Ohrgeräusche schon bei Beethoven und Smetana im Verlauf ihrer zunehmenden, zuletzt hochgradigen Schwerhörigkeit beschrieben. Tinnitus als Phänomen wurde aber erst seit den 70iger Jahren zu einem Thema mit eigener Forschung, Diagnostik und Therapie.

Wir unterscheiden den objektiven Tinnitus, z.B. die mit dem Stethoskop hörbaren Blutflussturbulenzen bei Gefäßanomalien, vom subjektiven Tinnitus, den nur der Patient wahrnimmt. Am weitaus häufigsten ist der subjektive Tinnitus, den wir in den meisten Fällen durch eine Tinnitusbestimmung mittels Hochfrequenzaudiometrie (ein Audiometer, das Frequenzen von 125 Hz bis 16000 Hz misst) in der Qualität (Ton oder Rauschen), Frequenz, Lautstärke und Überdeckbarkeit messen können. Mittels einer ausführlichen Anamnese, einer sorgfältigen HNO-Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung auch der funktionalen Einheit von Kiefergelenken und Halswirbelsäule, und den notwendigen audiometrischen Untersuchungen lassen sich häufig die Ursache oder die Ursachen finden und gezielt behandeln.

Nach wie vor ist die Innenohrschwerhörigkeit, besonders die Altersschwerhörigkeit, eine der häufigsten Ursachen für Tinnitus. Dabei hat der Betroffene die allmählich zunehmende Schwerhörigkeit oft noch nicht selbst festgestellt. Hier verschwindet der Tinnitus meist nach einer ausreichenden Hörgeräteversorgung.

Wenn in Ihrer Familie Herzkreislauferkrankungen bekannt sind, denken Sie bitte auch daran, dass Tinnitus ein frühes Symptom für einen erhöhten Blutdruck sein kann. Falls Sie über ein Blutdruckmessgerät verfügen, können Sie Ihren Blutdruck schon mal vorab messen und uns die Werte, am besten zusammen mit der Pulsfrequenz, mitbringen. Falls Sie Medikamente einnehmen, bringen Sie diese bitte mit, z.B. in Form einer Medikamentenliste. Auch hier finden sich oft Zusammenhänge.

So unterschiedlich und vielfältig wie die Ursachen, so unterschiedlich und vielfältig sind natürlich auch die Therapieansätze. Oft klingen Ohrgeräusche von ganz allein ab. Oft, gerade im Hochsommer und bei älteren Menschen, steckt „nur“ ein Flüssigkeitsmangel dahinter. Wir werden die Therapiemöglichkeiten, falls erwünscht auch alternative Methoden, ausführlich mit Ihnen besprechen und vielleicht auch mal den Entschluss fassen, bei zeitnahem Beginn zunächst ein paar Tage abzuwarten. Andererseits, insbesondere, wenn es sich um einen Tinnitus im Rahmen eines akuten Hörsturzes handelt, können aber auch eine Infusiontherapie oder intratympanale Injektionen mit Einsatz von Corticoiden notwendig werden.

Ein Pfeifen oder Summen im Ohr sollte Sie also nicht gleich in Angst und Schrecken versetzen. Wenn die Beschwerden aber über 24 Stunden anhalten, oder nach einem Schalltrauma auftraten, oder mit einem Hörverlust einhergehen, sollten Sie einen HNO-Arzt aufsuchen. Nennen sie uns dann schon bei der Terminvergabe Ihr Anliegen, damit wir Ihnen einen schnellen Termin geben können.

Beim einem chronischen Tinnitus hat sich mittlerweile die Tinnitus-Retraining-Therapie durchgesetzt, ein neurophysiologisches Modell, das erstmals von den Professoren Jastreboff und Hazel 1990 in den USA entwickelt wurde und inzwischen bereits mehrfach modifiziert, weltweit erfolgreich angewendet wird. Der chronische Tinnitus ist meist kein objektiv lautes Geräusch. Das subjektive Lautheitsempfinden, ähnlich der Mücke im Schlafzimmer, wenn man keinen Schlaf findet, kann aber durchaus einem Düsentriebwerk entsprechen. Man spricht hier von einer negativen Konditionierung, einem Lernprozess, bei dem sich die Wahrnehmung des Tinnitus immer weiter in den Vordergrund schiebt. Beim Tinnitus-Retraining wird versucht, diesen Lernprozess wieder umzudrehen. Man lernt, den Tinnitus weniger intensiv wahrzunehmen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Die Therapie ist immer eine Langzeittherapie und eine Teamleistung von HNO-Arzt, Hörgeräteakustiker, Psychologe und Patient. Das psychologische Counseling muss dabei nicht immer in eine Psychotherapie münden. Oftmals ist schon das Erlernen von Entspannungstechniken ausreichend. Der Hörgeräteakustiker fertigt bei Bedarf den sogenannten „Noiser“ oder „Rauscher“ an, ein akustisches Gerät, mit dem ein leises Therapierauschen erzeugt wird. Das eigene Ohrgeräusch darf dabei natürlich nicht ganz überdeckt werden, da sonst die Gewöhnung, die sogenannte Habituation, nicht stattfinden kann. Auch hier arbeiten wir mit ausgewiesenen Experten zusammen. Sprechen Sie uns an!

Vielversprechend ist die neue Behandlungsmethode „Tinnitracks“ die auch von der Erkenntnis ausgeht, dass der chronische Tinnitus nicht im Ohr sondern im Gehirn gespeichert ist. Diese Überaktivität in den entsprechenden corticalen und limbischen Hirnarealen kann durch das Hören von individuell gefilterter Musik so gemildert werden, dass die Lautstärke des Tinnitus sehr stark und nachhaltig reduziert wird. Diese Methode ist für den tonalen Tinnitus geeignet und leicht in den Alltag zu integrieren. Aufgrund der guten Ergebnisse in mehreren evidenzbasierten Studien übernehmen bereits zahlreiche private und gesetzliche Krankenversicherungen die Behandlungskosten. Unsere Praxis ist für diese Behandlungsmethode zertifiziert und zugelassen.